No. 31
2020/1
Historisch forschen in der Fremdsprachendidaktik
Abstract:

Die historische Forschung in der Fremdsprachendidaktik, die seit etwa 130 Jahren existiert, beschäftigt sich mit der bis zu mehreren tausend Jahren zurückreichenden Geschichte des Sprachenlehrens und -lernens . Die Untersuchung der Vergangenheit basiert auf einer Vielzahl unterschiedlicher sprachlicher und nicht-sprachlicher Quellen. Ausgehend von der Forschungsfrage werden Quellen gesucht, kritisch evaluiert und zu einem Quellenkorpus zusammengestellt, das mithilfe der historischen Methode analysiert und interpretiert wird, wobei sowohl hermeneutische als auch diskursanalytische Verfahren zum Einsatz kommen. Dabei ist es unabdingbar, gesicherte Informationen zum historischen Kontext der jeweiligen Zeit zu berücksichtigen. Es können nur solche Aspekte, Zeiträume und Entwicklungen untersucht werden, zu denen sich Quellen finden lassen. Die Themen der der bisherigen fachhistorischen Forschung kreisen vor allem um die Unterrichts- bzw. Lernpraktiken, für die Lehr-/Lernmaterialien analysiert werden, um den Fremdsprachenunterricht an einzelnen Institutionen oder um den Unterricht für ausgewählte Zielgruppen.

Research into the history of language teaching and learning covers several thousand years; it had its beginnings about 130 years ago. Historical research is based on a wide variety of verbal and non-linguistic sources. These are collected and evaluated on the basis of the relevant research question. The sources are then analysed by way of source criticism, using hermeneutic and discourse analytic procedures. Insights from the analysis of the sources need to be interpreted in the light of the information found in the relevant literature for the time under investigation. Obviously, the existence of sources is the prerequisite for historical research. So far, historical research in the field of language teaching and learning has focused on textbook analysis in order to gain information on past practices, on language teaching at certain institutions or on the language learning of particular groups.

Seite 7-21, Heft 1/2020, Band 31
Translation and ideology in the history of language learning and teaching: changing purposes, practices and prejudices in the teaching and learning of modern languages
Abstract:

Dieser Beitrag analysiert die Geschichte des Übersetzens im Fremdsprachenunterricht als eine Geschichte von sich abwechselnden Ideologien. Zunächst kaum berücksichtigt im Fremdsprachenunterricht, wird das Übersetzen erst im 18. Jahrhundert als eine Fertigkeit an sich aufgewertet, die es ermöglicht, dem neuerdings geschätzten Originaltext "treu" zu bleiben. Als die Grammatik fast gleichzeitig aus anderen ideologischen Gründen in das Zentrum der Fremdsprachenpädagogik rückt, wird das Übersetzen in den Dienst des nun höchsten Ziels der Grammatikbeherrschung gestellt. Mindestens ein Jahrhundert lang wird das Übersetzen als möglichst effizienter Maßstab für das Leistungsniveau der Lernenden gepriesen, bis es im späten 20. Jahrhundert der vorwiegend monolingualen Ideologie der kommunikativen Methode zum Opfer fällt und aus den Stundenplänen wie aus den Klausuren verschwindet. Im 21. Jahrhundert ist eine Rehabilitation festzustellen, die zum Teil (und im Verbund mit der Sprachmittlung) mit der neu erkannten Notwendigkeit gerechtfertigt wird, die Herausbildung und die Stärkung dynamischer plurilingualer Identitäten zu fördern.

This paper argues that the history of translation in language teaching is a history of shifts in social and educational ideologies. Translation was at first marginal to language learning, until the recognition of translation as a skill in the later 18th century, underpinned by an ideology that prized the "original" text, to which it was necessary to remain "faithful". Around the same time, translation was first made an explicit task in language education, chiefly to practise grammar, now newly privileged as the primary focus of language teaching. For at least a century, translation was then considered the test par excellence of all-round language proficiency, only to be radically rejected in a more monolingually focussed "four-skills" language pedagogy in the later 20th century. In the 21st century, translation has returned as part of mediation, part of a pedagogical ideology that explicitly values and seeks to nurture plurilingual experiences and identities.

Seite 23-40, Heft 1/2020, Band 31
Französischunterricht in Preußen und im linksseitigen Rheinland zwischen Aufklärung und Wiener Kongress
Abstract:

Die Epoche zwischen Französischer Revolution und Wiener Kongress war eine Zeit tiefgehender Umbrüche in zahlreichen Lebensbereichen: der Zusammenbruch der ständischen Ordnung des Ancien Régime, Aufstieg und Niederlage Napoleons, die territoriale Neuordnung Mitteleuropas, die Entstehung des Bildungsbürgertums in Preußen, die Neuordnung und Vereinheitlichung des preußischen Bildungswesens und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich der Siegeszug der alten Sprachen als Kernfächer des neuhumanistischen Gymnasiums.

Am Beispiel Preußens und der französischen Rheinlande wird gezeigt, in welcher Weise Formen und Inhalte des Französischunterrichts diesen extremen Veränderungen ausgesetzt waren und selbst einen massiven Umbruch erfuhren. Das vielfältige und fast flächendeckende Angebot an Französischunterricht an den preußischen Gymnasien und seine Ausrichtung auf formale Aspekte innerhalb eines bildungsbürgerlichen und neuhumanistischen Bildungskonzepts wich nach dem Wiener Kongress einer Verlagerung in die Realgymnasien und Realschulen. In den linksseitigen Rheinlanden musste der Französischunterricht innerhalb einer Generation sogar zweimal die Folgen eines Herrschaftswechsels verkraften, bis schließlich die gesamtpreußischen Entwicklungen übernommen wurden.

The time between the French Revolution and the Congress of Vienna was a time of fundamental changes in many areas: the abolition of the social order of the Ancien Régime, the rise and fall of Napoleon, the reshaping of the central European territory, the emergence of an educated middle class, and the establishment of neo-humanistic education in Prussia.

Taking the example of Prussia and the Rhineland, this paper seeks to demonstrate how the teaching of French was influenced by the great changes in politics, language and culture at a time of social and political upheaval at the end of the 18th and the beginning of the 19th century. Believing it would have a settled status in the Prussian school system, the authorities originally set out to develop French language instruction in all its didactic aspects, but after the Congress of Vienna the Prussian state transferred the teaching of French from the Gymnasium (high school) to the Realanstalten. In the Prussian regions west of the Rhine even two changes of government impacted the teaching of French.

Seite 41-62, Heft 1/2020, Band 31
Nationaler und internationaler Austausch – das Entstehen einer breiten Diskursgemeinschaft zum neusprachlichen Unterricht in der Reformzeit
Abstract:

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts trafen mehrere Entwicklungen in Wissenschaft, Bildung, Transport- und Kommunikationswesen aufeinander, die zur Folge hatten, dass zum ersten der Unterricht in den modernen Sprachen größere Aufmerksamkeit erhielt und inhaltlich sowie methodisch radikal anders konzipiert wurde, dass zum zweiten die Lehrerschaft sich professionalisierte und vernetzte und dass zum dritten internationale Kontakte auf allen Ebenen erfolgten und vielfältige Wirkungen entwickelten. Der Beitrag fokussiert in diesem Kontext auf die Prozesse des Entstehens und der Praxis einer internationalen Diskursgemeinschaft unter Neuphilologen in Schulen, Universitäten und Bildungsverwaltungen.

In the last quarter of the 19th century a number of developments in the humanities, in education, transport, and communication converged and led to a greater focus on modern language teaching: Firstly, the content and methods of language education were conceived in a radically new way; secondly, teachers experienced a process of professionalisation; thirdly international contacts were effectively established at different levels. This paper focusses on the emergence of a national and international discourse community amongst modern language specialists at schools, universities and in educational administration.

Seite 63-81, Heft 1/2020, Band 31
Der Erste Weltkrieg und die neueren Sprachen – Eine Sinnkrise?
Abstract:

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs rief heftige Reaktionen unter den Neusprachlern hervor. Dies zeigt ein Blick in die einschlägigen Fachzeitschriften: Wie sollte man in Zukunft mit den Sprachen der 'Feinde' im Schulunterricht umgehen? Die Forderungen reichten von einer Abschaffung des Unterrichts in den neueren Sprachen bis hin zu einer rigorosen Änderung der Unterrichtsinhalte, die es ermöglichen sollte, dem 'Feind' in Zukunft besser (militärisch) begegnen zu können. Einig waren sich die meisten Neuphilologen darin, dass ein 'Weiter so' kaum möglich war. Bei den Kriegsjahren und der unmittelbaren Nachkriegszeit handelt sich um eine Zeit des Aufruhrs und des Umbruchs, ja um so etwas wie eine Sinnkrise der neusprachlichen Philologien. Am stärksten wirkte sich die Veränderung der weltpolitischen Machtverhältnisse auf die Bedeutung des Englischunterrichts aus; man denke dabei vor allem an den Kriegseintritt der USA, der den Auftakt der neuen Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt markierte.

The outbreak of the First World War caused strong reactions among modern philologists. This can be observed clearly in the relevant journals: how was one supposed to deal with 'enemy' languages in subsequent school classes? Ideas ranged from the complete abolition of the teaching of modern languages to a rigorous alteration of lesson content aimed at better understanding 'the enemy'. The majority of modern philologists were unanimous however in the belief that 'business as usual' was not an option. The war years and the period immediately following were characterised by turmoil and upheaval, indeed a kind of identity crisis in modern languages. The most significant effect of the shifting geopolitical power balance was felt in the importance of English teaching; above all the entry of the USA into the war, heralding the new international role of that country, comes to mind here.

Seite 83-98, Heft 1/2020, Band 31
Deutsche Englischlehrwerke um 1945 – Ein echter Neubeginn? Zwei Mittelstufenbücher im Vergleich
Abstract:

Der Zusammenbruch des 'Dritten Reiches' zog die Bemühungen der Besatzer nach sich, ein Umerziehungsprogramm durchzuführen und das Schulsystem und die Schulcurricula Deutschlands zu erneuern. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit sich dies in den Lehrbüchern für den Englischunterricht widerspiegelte. Es sollen das Ausmaß und die Art des Einflusses der nachkriegszeitlichen Trends auf die Bücher des Westens Deutschlands verglichen werden mit dem, was der Lehrer- und Schülerschaft während der Nazizeit zur Verfügung stand. Die Auseinandersetzung mit den Prozessen politischer Voreingenommenheit in dieser Periode des Umbruchs ist von entscheidender Bedeutung für das Medium Lehrbuch, welches eine zentrale Rolle im Unterricht einnahm. Im vorliegenden Beitrag werden zwei Mittelstufenlehrbücher verglichen, jeweils ein Buch für die Periode vor und nach 1945.

The collapse of the 'Third Reich' evoked the occupiers' endeavours of re-education and their efforts to reconstruct Germany's school system and school curricula. The question addressed here is, in how far this was mirrored in the textbooks for English language teaching. The focus lies on the extent and style of the influence of post-war trends displayed in the books of the Western parts of Germany in contrast to what was available to teachers and students during the Nazi regime. The crucial role of these teaching materials in supporting student learning makes it critically important to understand the relevant processes of political bias displayed in this period of upheaval. The present study focuses on the discussion of two textbooks for the intermediate level, one book each for the period before and after 1945 respectively. 

Seite 99-121, Heft 1/2020, Band 31