No. 32
2021/1
Heterogenität, Diversität und Inklusion: Ein systematisches Review zum aktuellen Stand der Fremdsprachenforschung in Deutschland
Abstract:

Der Beitrag fasst die fremdsprachendidaktische Forschung aus Deutschland im Feld von Inklusion, Heterogenität und Diversität der Jahre 2009 bis 2020 zusammen, bewertet diese hinsichtlich ihrer Aussagen für die Gestaltung inklusiven Fremdsprachenunterrichts anhand verschiedener Kategorien und schließt daraus weitere Forschungsdesiderate. Häufig positivistisch eingefärbten Darstellungen zum Potenzial von Fremdsprachenunterricht für inklusive und auf Teilhabe angelegte Bildungsprozesse in theoretischen Arbeiten stehen in den empirischen Beiträgen die Herausforderungen zur methodischen Gestaltung, (multi-)professionellen Arbeit von Lehrkräften sowie nicht selten organisatorische Zwänge entgegen. Letztere offenbaren allerdings häufig geringe Fallzahlen, kaum Interventions- oder rekonstruktive Studien und in Teilen nur selten differenziert beschriebene Forschungsdesigns. Gegenstandsbezogen wurden bislang weder Möglichkeiten individueller, kompetenz- und lern- bzw. begabungsorientierter Assessmentinstrumente, noch digitale Medien oder der Einsatz von Lehrwerken und Unterrichtsmaterial umfassend erforscht, während zur methodischen Gestaltung in theoretischer sowie zu Fremdsprachenlehrkräften in empirischer Hinsicht (und in beiden Bereichen vor allem für Englisch als Fremdsprache) erste Erkenntnisse generiert wurden.

 

This article has three objectives. It summarises foreign language teaching research in Germany from 2009 to 2020 in the field of inclusion before evaluating it with regard to its implications for the design of inclusive foreign language teaching. Finally, it concludes by identifying further research desiderata. While the potential of foreign language teaching for inclusive and participatory educational processes is often presented in a positivistic way in theoretical works, the challenges of methodological design, (multi-)professional work of teachers and organisational constraints are often reported in empirical contributions to thwart effective implementation. This empirical research, moreover, reveals small case numbers, limited numbers of intervention or reconstructive studies, and rarely describes complex research designs. To date, neither the possibilities of individual, competence-, learning-, and talent-oriented assessment instruments, nor digital media or the use of textbooks and teaching materials have been comprehensively researched.

, Heft 1/2021, Band 32
Mindsets and reflection in teacher education for inclusive language classrooms
Abstract:

Der Beitrag diskutiert, inwiefern das Konstrukt von Mindset dabei helfen kann, die Professionalisierungsprozesse von Englischlehrkräften und die Entwicklung ihrer Reflexionskompetenz hinsichtlich inklusiver, heterogener Settings innerhalb einer evidenzbasierten Fortbildung zu unterstützen.

Ausgehend von den Beitrag rahmenden Fallbeispielen, die potenzielle Entwicklungsprozesse von angehenden Englischlehrkräften aufzeigen, werden die Hintergründe von Mindset erläutert, wie dieses Konstrukt aktuell für Fremdsprachenlernen und -lehren diskutiert und empirisch fundiert wird und in welchem theoretischen Verhältnis es zu den Konstrukten Reflexion und Reflexionskompetenz steht. Es wird die Arbeitshypothese aufgestellt, dass eine stärkere Reflexionskompetenz förderlich sein könnte zur Entwicklung von dynamischen Mindsets, die die Fähigkeiten von Lernenden im inklusiven Fremdsprachenunterricht unterstützen. Im Anschluss daran wird der Entwicklungsprozess einer Fortbildung für Englischlehrkräfte vorgestellt, welche vor dem Hintergrund und unter Berücksichtigung von Mindset und Reflexionskompetenz gestaltet und anhand entsprechender Instrumente beforscht wird. Die Ergebnisse werden eingebettet in den Diskurs um Möglichkeiten, wie den Bedarfen aller Schülerinnen und Schüler im heterogenitätssensiblen Englischunterricht durch dieses Fortbildungskonzept begegnet werden können.

 

This contribution considers how, within the context of a professional development initiative that is aligned with principles of best practice in teacher professionalization, EFL teachers’ mindsets, and how they are reflected upon, can facilitate the construction of inclusive language learning environments. At the same time, the development of such mindsets and reflective competence over the course of a targeted intervention is examined. This article will begin with a case study that sketches potential developmental processes in this regard before describing the construct and conceptualization of mindsets, especially as it pertains to inclusive foreign language learning, and theorizing the connection between mindsets and reflection. One hypothesis is that the development of reflective competence might help teachers develop a more dynamic mindset about learners’ potential in inclusive language classrooms. Subsequently, the development, content, and structure of a learning opportunity for EFL practitioners in inclusive settings will be summarized. Finally, the design and instruments of the research intended to shed light on these concepts and relationships will be presented. The contribution ends by casting an eye on the potential impact of this approach for strengthening teachers’ ability to successfully meet the needs of all learners in inclusive language learning instruction.

, Heft 1/2021, Band 32
weiß IRgendwer was wir hier mAchen müssen? Lernendenorientierung im inklusiven Englischunterricht am Beispiel einer Scaffolding-Sequenz
Abstract:

Für den inklusiven Englischunterricht werden häufig lerner*innenorientierte Verfahren (z.B. kooperatives Lernen) vorgeschlagen. Es ist anzunehmen, dass diese Verfahren zu fördernde Lerner*innen überfordern können und der damit verbundene Anspruch an Peer-Scaffolding ebenfalls sehr voraussetzungsreich ist. Lehrkräfte sind zudem gefordert, veränderte interaktionale Rollen einnehmen. Um diese theoretischen Annahmen und Anforderungen empirisch zu prüfen, untersucht dieser Beitrag gesprächsanalytisch anhand einer videografierten Scaffolding-Sequenz im Englischunterricht einer inklusiven 5. Klasse, wie Mitschüler*innen und Lehrkraft eine Lernende mit dem Förderschwerpunkt Lernen bei der Bearbeitung einer Aufgabe unterstützen. Die Mitschüler*innen nutzen verschiedene Scaffolding-Strategien, behindern sich aber durch das Nichtbefolgen von Regeln des turn-taking. Die Lehrkraft interagiert lehrer*innenzentriert auf Basis der IRE-Praktik, modifiziert diese Praktik aber auch lerner*innenorientiert. Die Scaffolding-Sequenz führt nicht zu einer selbständigen Weiterarbeit. Der Beitrag schlägt vor, Lernende im Peer-Scaffolding zu schulen, ermutigt (angehende) Lehrkräfte, sich etablierter lehrer*innenzentrierter Interaktionspraktiken bewusstzuwerden, und unterstützt einen kritischen Blick auf lerner*innenorientierte Verfahren im inklusiven Englischunterricht. 

Learner-oriented methods (e.g. cooperative learning) are often recommended for teaching English in inclusive settings. However, these methods can constitute a challenge for learners with special educational needs. Additionally, teachers are supposed to take on interactional roles different from teacher-centred scenarios; peers are supposed to scaffold each other. In order to validate these claims and assumptions empirically, this article presents a conversation analysis of a video-taped scaffolding sequence in which peers and their teacher support a learner with diagnosed learning difficulties. The peers employ scaffolding strategies but impede their success, e.g. by not following turn-taking rules. The teacher makes use of the teacher-centred IRE practice, but also modifies it in a more learner-oriented way. The sequence does not enable the learner to continue working individually. The article proposes that learners are educated in peer-scaffolding, that teachers reflect on teacher-centred interactional practices, and that the use of and conditions for learner-centred methods in inclusive settings are scrutinized in future research.

, Heft 1/2021, Band 32
All inclusive? Eine kritische Lehrbuchanalyse zur Repräsentation von Diversität in Englischlehrbüchern der Klassenstufe 9
Abstract:

Dieser Beitrag fasst die Ergebnisse einer diversitätsreflexiven Analyse von drei Englischlehrbüchern für die Klassenstufe 9 zusammen, die in Bezug auf die Darstellung von den für Inklusion zentralen Diversitätsmerkmalen Gender, sexuelle Identität, körperliche und mentale Variationen und Körpernormierungen, Hautfarbe und sozioökonomischer Hintergrund untersucht wurden. Der Korpus der Analyse besteht aus insgesamt 736 Bildern, von denen 350 Fotos und 108 Cartoons Menschen zeigen, die in die Analyse einflossen. Während eine quantitative Analyse der Lehrbücher Vorkommen und Verteilung der genannten soziokulturellen Kategorien aufzeigt, erlaubt eine qualitative und diskursanalytische Auswertung der Darstellung in Text und Bild weitere Aussagen zu der Konstruktion von gesellschaftlichen Machtverhältnissen, wie sie sich in der (Un-)Sichtbarkeit, Stimme oder Handlungsfähigkeit der abgebildeten Personen ausdrücken. Vor dem Hintergrund eines weiten Inklusionsbegriffes wird die Frage nach den Identifikationsangeboten für diverse Lernende fokussiert. Untersucht wurden Lighthouse 5 (Cornelsen, 2016), Notting Hill Gate5 (Diesterweg, 2019) und Orange Line 5 (Klett, 2018).

This contribution summarizes the results of a diversity-reflexive analysis of three coursebooks for teaching English as a foreign language in grade 9, focusing on the representation of the diversity markers gender, sexuality, people with mental and/or physical variety, race and class, all of which are central to a broad concept of inclusion. The corpus of the analyses consists of 736 images of which 350 photos and 108 cartoons show human beings. These were included in the final analyses. While a quantitative analysis pays attention to the mere representation of these identities, a qualitative and discourse analysis allows to draw conclusions about how these coursebooks construct power in terms of visibility, voice and agency. The central question regards in what ways these coursebooks offer diverse learners options for identification, which is of particular interest regarding a broad concept of inclusion. The analysis includes the coursebooks Lighthouse 5 (Cornelsen 2016), Notting Hill Gate 5 (Diesterweg 2019) und Orange Line 5 (Klett 2018).

, Heft 1/2021, Band 32
Sprachliche Heterogenität als Herausforderung und Chance für den inklusiven Fremdsprachenunterricht
Abstract:

Der Beitrag diskutiert Herausforderungen und Chancen, die die Anerkennung von sprachlicher Heterogenität in unterschiedlichen Facetten (Mehrsprachigkeit, Spracherwerbsbedingungen, Spracherwerbsstörungen) für die Fremdsprachendidaktik im Kontext schulischer Inklusion bereithalten. Zunächst werden, ausgehend von empirischen Ergebnissen zur Sprachdiagnostik, die Kategorien sonderpädagogischer Förderbedarf und Mehrsprachigkeit in einer inklusiven Schule und Gesellschaft problematisiert. Weiter wird erörtert, welche Konsequenzen die heterogenen Lernausgangslagen für den Fremdsprachenunterricht haben können, bevor konkret dazu angeregt wird, Unterricht intradisziplinär in intraprofessioneller Kooperation als Chance für sprachlich heterogene Lerngruppen neu zu denken und zu gestalten.

Our contribution discusses the challenges and chances arising for foreign language teaching in the context of inclusion by the recognition of linguistic heterogeneity in all its facets – multilingualism, conditions of language acquisition, and language impairment. New empirical results from language diagnostics reveal the problems assigning special needs in inclusive schooling, given the multilingual reality in schools and society. We further discuss which consequences can be derived for foreign language teaching from the heterogeneity of initial learning conditions before we suggest intra-disciplinary approaches to shape lessons in intra-professional cooperation as a chance for learners in different learning situations.

, Heft 1/2021, Band 32